Jekaterinburg

Moskau -
Jekaterinburg

Die erste längere Zugetappe steht an, über 1800 km in 26 h von Moskau bis in den Ural nach Jekaterinburg. Irina und ihre Tochter Lena bringen mich zum Zug. Irina weist erst einmal meine Abteilkollegen und die Schaffnerin ein, dass sie mir helfen sollen, da ich nicht gut Russisch verstehe. Vor dort an spricht mich zu meiner Ehre sogar die Schaffnerin mit Vornamen an. Dann verabschiede ich mich von Irina und Lena und der Zug mit dem bezeichnenden Namen "Ural" ruckelt los. Es ist schön am offenen Fenster auf dem Gang zu stehen, die Landschaft zu beobachten und wieder den Fahrtwind zu spüren. Es geht vorbei an etlichen Dörfern mit Holzhäusern, an dichten Wäldern mit Birken und an Sümpfen. Die meisten Reisenden haben sich inzwischen umgezogen und laufen in Badeschlappen und Shorts herum. Mit mir im Abteil sind Svetlana aus Jekaterinburg, Alexander, ein wortkarger, in Jekaterinburg stationierter Soldat aus Kaliningrad, und eine weitere ca. 50jährige redseelige Frau ebenfalls aus Jekaterinburg. Angesichts der Enge im Abteil verstaut reiheum jeder einzeln seine Sachen, während die anderen 3 so lange auf dem Gang warten.
Uralexpress Uralexpress

Einmal kämpfe ich mich zum 6 Wagen weiter liegenden Speisewagen durch. Ausser mir ist nur noch ein amerikanisches Pärchen dort. Zum Abendessen gönne ich mir einen gemischten Salat und eine Dose Baltika No.7. Dann kommt der erste Halt, irgendwo auf einem kleinen Bahnhof in der Pampa. Sofort kommt ein Rudel Händler angerannt. Neben Reiseverpflegung wie warmes Fleisch, Bier, Kekse und Chips werden allerhand skurrile Souvenirs angeboten. Vor allem Glasarbeiten, wie meterhohe Vasen oder Kronleuchter, werden angeboten. Ein riesiger, ausgestopfter Auerhahn kommt von einem vorbeilaufenden Händler getragen an den Zugfenstern vorbeigeflogen. Nach 10 min geht es pünktlich weiter. Der im Zug ausgehängte Zeitplan, wann, wo und wie lange gehalten wird, wird peinlichst genau eingehalten. Insbesondere sorgen die Schaffnerinnen, für jeden Wagon eine, dafür, dass alle Passagiere nach einem Halt rechtzeitig wieder an Bord sind. Die Schaffnerin ist nicht nur Inbegriff der Korrektheit, sondern alles regelnde Instanz in ihrem Wagon. Erst kommt sie rum, prüft Fahrkarten und kassiert für das Bettzeug; dann scheucht sie alle Leute in die Abteils, um den Läufer auf dem Gang neu auszurichten; sie gibt bescheid, wenn das Wasser im Samowar heiss genug ist und der erste Tee aufgegossen werden kann; kurz darauf kommt sie mit dem Staubsauger durch die Abteils; während der Halte sieht man sie mit Putzeimer und Gummihandschuhen, wie sie den Eingangsbereich wischt; bei ihr kann man Kleinigkeiten wie Kekse und Tee kaufen oder bescheidsagen, wenn das Wagonradio zu laut ist.
Uralexpress Uralexpress
Uralexpress Ural in Sicht

Der Zug ist nett eingerichtet. In den Abteils stehen auf den kleinen Tischen Körbchen mit Keksen, Schokolade, Tee und Kaffee, daneben die typisch russischen Teebecher. Es gibt viele Haken, um Sachen aufzuhängen und über jeder Liege ist ein kleines Gepäcknetz. In den Abteils, auf dem Gang und sogar auf den Toiletten gibt es Topfblumen.

Nach einer vom rythmischen Toctoc-Toctoc--Toctoc-Toctoc begleiteten Nacht erreicht der Zug nach 26 h pünktlich auf die Minute Jekaterinburg, das frühere Swerdlowsk. Die Kontinentalgrenze im unscheinbaren Uralgebirge habe ich ohne es zu merken bereits überschritten.
Uralexpress Samowar
Toctoc-Toctoc Teetasse


Jekaterinburg

Traurige Berühmtheit erlangte Jekaterinburg duch die Ermordung des letzten Zaren Nikolas II. und seiner Familie 1918 durch die Bolschewisten. Die Stelle wird heute durch ein Eisenkreuz markiert. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Fabriken hierhier verlegt, was der Stadt zu wirtschaftlichem Aufschwung verhalf. Mit seinen 1.4 Mio. Einwohnern ist Jekaterinburg heute ein wichtiges Industrie- und Handelszentrum in der Ural-Region. Es wird viel gebaut und renoviert. Viele Gebäude wirken gepflegt Nicht zuletzt die vielen Bodenschätze im Ural verhelfen der Stadt zu ihrem Reichtum. Einen Überblich über die verschiedenen Gesteinsarten im Ural hole ich mir im Gesteinsmuseum. Hier sind verschiedene Marmorsorten, Spat, Malaxit, Pyrit, usw. in Rohform oder in kunstvoll gearbeiteten Schmuckstücken wie Schatullen oder Figuren ausgestellt.
Eisenkreuz Gesteinsmuseum
Hotel Swerdlowsk Stau
Leninzeugs Schaukel

Im Fotografiemuseum schaue ich mir eine vom Goethe-Insitut unterstützte Fotoausstellung von Berlin und Moskau vor und nach dem Zweiten Weltkrieg an. Die Erinnerung an die kriegerische, gewaltdurchzogenen Vergangenheit Russlands verfolgt mich im ganzen Land auf Schritt und Tritt. Im benachbarten Jugendmuseum sind Fotos der Gebäude Jekaterinburgs ausgestellt, welche von deutschen Zwangsarbeiter errichtet wurden. Daneben erinnern Installationen mit rostigen Stahlhelmen an den blutigen Afghanistankrieg. Immer wieder stosse ich auf Kriegerdenkmäler, wie auch jenes auf dem Platz der Sowjetarmee. Der im Schneidersitz sitzende, auf sein Gewehr aufgestützte Soldat einschliesslich der ihn umgebenden Gedenktafeln erinnern an die vielen Opfer der Kriege seit den 70er Jahren. Auch den Opfern in Tschetschenien ist eine Tafel gewidmet.
Platz der Sowjetarmee Platz der Sowjetarmee Platz der Sowjetarmee

Gegenüber des imposanten Rathauses steht die obligatorische Leninstatue und weist mit ausgestrecktem Arm auf das Kaufhaus TsUM, als wolle er sagen:"Seht her, den schicken Mantel habe ich dort gekauft!"
Homer Da drueben gibt's die billigen Komsomolzenmaentel!