April 2014

Mexiko

Frankfurt -
Atlanta -
Mexico City -
Oaxaca

Frankfurt Airport, sonniger Frühjahrsmorgen, kurz vor Beginn der Sommerzeit. Nach den üblichen Problemen beim Automaten-Checkin lege ich mein Gepäck in die Hände einer dunkelhaarigen Schwedin mit finnischen Eltern und hellblauen Husky-Augen. Dass ich mit einer amerikanischen Airline Richtung USA fliege, wird mir spätestens bewusst, als ich mich in der Schlange vor dem Sicherheitscheck umsehe. Neben prall gefüten XXXL-Shirts mit Heidelberg Aufdruck lugen Baggerfahrergesichter unter John Deere Basecaps hervor. Bomberjacken des Modelabels `Operation Iraqi Freedom` wehen auf schmalen Schultern. Sowohl modisch als auch physiognomisch weicht man gerne vom Mittelfeld auf die Flügel aus.

Ploerre Der Bordservice respektiert strikt die terretoriale Integrität des durchflogenen Luftraumes. Unmittelbar nach Überqueren der deutsch-niederländischen Grenze geht das Bitburger zur Neige. Das letzte Heinicken muss ich mir kurz vor Verlassen der niederländischen 12 Meilen Zone schon selber aus dem Backoffice holen. Der Kampf um die letzte Dose Miller Light findet schliesslich im hoheits- und geschmacksfreien Raum über dem Ozean statt. Grosszügig lasse ich einem amerikanischen Mitbürger den Vortritt - Cheers!


Der anderthalbstündige Zwischenstopp in Atlanta besteht vollends aus Warten: Immigration - Zoll - Security, Schlangen über Schlangen, übergewichtige Beamte im Schildkrötentempo - Abdrücke aller zehn Finger, Passfoto, Bodyscan - fehlt nur noch die Darmspiegelung. Wenn die damals auch so lahm waren, wie konnten die jemals zum Mond fliegen...

corrupt system32 Problemloser gestaltet sich die Einreise in Mexiko. `Bienvenidos a Mexico` - Passkontrolle - `Bienvenidos a Mexico`. Na also, geht doch. Nach kurzer Suche finde ich auch einen bootfähigen Bankomaten, der mir die ersten M$, also Pesos, in die Hand drückt. Nach einer weiteren Flugstunde lande ich schliesslich in Oaxaca. Luis und Conchita, meine Gastgeber für die nächsten zwei Wochen, holen mich freundlicherweise vom Flughafen ab. Nach 22 h unterwegs gibt es nur noch einen Checkin - das Bett.


Oaxaca

Meine Gastgeber wohnen im Norden der Stadt, ca. 8 Blocks vom Zentrum entfernt. Luis ist Bauingenieur und Conchita betreibt einen kleinen Laden. Aufgrund der Zeitverschiebung wache ich morgens vor Sonnenaufgang auf und erlebe, wie die aufgehende Sonne mein Zimmer erhellt. Da unterhalb des Fensters die Strasse ist, auf der die Busse auch schon frühmorgens mit einem Höllenlärm entlangbrummen, braucht man hier keinen Jetlag, um früh wach zu werden. Zum Frühstück gibt es stets frische Früchte, wie Melone oder Papaya, etwas Joghurt und süsse Brötchen. Ach ja, irgendwas aus Mais gehört natürlich auch dazu. So zaubern mein Gastgeber aus den Tortillas kleine Tacos, oder sie servieren Tamales (gedämpfter Mais-Bohnenmus, in der Fastenzeit auch mit Kürbisblüten). Um die alltägliche Maisration abzurunden gibt es zum Trinken Champurrado, ein dickflüssiger Powerbrei aus heisser Schokolade, Mais-Maza und Zucker.
buedschen sunlight zoo

Oaxaca, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates liegt auf 1500 m Höhe umgeben von einigen Bergketten. Die Stadt lebt vom Tourismus. Zócalo heisst der zentrale Platz, auf dem sich alles tummelt: Cafés, fliegende Händler, Schuhputzer, Luftballonverkäufer, Demonstranten und nicht zu vergessen auch westliche Touris wie unsereins.
zocalo ballon händler

payaso cheers elotes

volksbank1 volksbank2 volksbank3

Viele Kirchen gibt es in der Stadt. Die prunkvollste ist Sto. Domingo weniger wegen der Kakteenbeete als mehr wegen es von unten bis oben mit Gold verzierten Altars. Deckenskulpturen zeigen den Stammbaum des Ordensgründers Domingo de Gúzman. Die Heiligenfiguren sehen häufig wie Spielzeugpuppen aus. Manchmal sind in die Vitrine seitlich Zettel eingesteckt, wobei ich nicht herausfinden konnte, ob es Lottoscheine oder Kassenzettel des Discounters um die Ecke sind.
sto domingo sto domingo sto domingo

Essenstechnisch probiere ich mich durch. Die Tortilla ist fast immer gesetzt, ob als Tellerersatz, Esswerkzeug, Wickelhilfe oder Beilage zum Aufschlecken von Sossen. Meist werden einige Tortillas liebevoll in ein Tüchlein eingeschlagen in einem Körbchen als Beilage serviert. Auch die Salsa, also die meist sauscharfe Sosse, gehört zur standard Tischdekoration. Tortilla mit Käse drin heisst hier Quesadilla. Der Käse zieht meist lange Fäden. Die Chapulines, geröstete Heuschrecken, sind mir jedoch zu salzig, so dass ich lieber auf Fruchtsäfte ausweiche. Die gibt es an jeder Ecke, manchmal sind auch Kräuter wie Petersilie oder Algen drin. Typisch für Oaxaca sind die Tlayudas, ausgebreitete Tortillas, die mit Salat und Fleischstücken nach Wahl beladen werden. Egal ob mit den Fingern oder mit Esswerkzeug, der Verzehr eines solchen Flugzeugträgers ohne sich vollzusauen ist schon eine Kunst. Da lobe ich mir doch einen sauber gewickelten Yufka Döner.
sopa tortilla tlayuda

Mittlerweile habe ich auch ein Restaurant gefunden, in dem der Halbe Bitburger für 1.90 EUR serviert wird - stilecht in der pfandfreien Dose. Viele Restaurants und Bars kommen nicht ohne Fernseher aus. Natürlich läuft häufig Fussball. Man schreckt nicht davor zurück sogar Bayern gegen Augsburg samstagsmorgens um 7:25 Uhr (!) live zu übertragen.

Nach unspannendem Start in der Sprachschule kommt langsam Bewegung in den Unterricht. Mit meiner Mitschülerin, Janet aus Alaska, und unserer Lehrerin, Sonia, war ich zur Mezcalprobe in einem der Läden um die Ecke. Mezcal ist sozusagen der Bruder von Tequila, also auch ein Agavendestillat. Er wird aus der Maguey-Agave gewonnen und pur mit ca. 38 % Alkohol oder als Gemisch in Varianten von Piña Colada bis angebrannte Milch angeboten. Der junge Mezcal ist mir etwas zu sprittig, so dass ich auf den Añejo mit der leichten Barrique-Note ausweiche. Da wir aber noch weiter Unterricht haben, schaffen wir es nicht bis zum obligatorischen Wurm am Flaschenboden.
mezcalprobe noch lacht er eishockeywurm

Tags darauf geht es mit der Sprachschule nach San Bartolo Coyotepec, um die Cochinille Läuse zu besuchen. Diese werden zur Produktion des roten Naturfarbstoffes Karmin gezüchtet. In aller Gründlichekeit erklärt uns ein Mitarbeiter der Farm alles über Zucht und Verarbeitung der Läuse. Auf abgeschnittenen Opuntienblättern (Nopales) werden weibliche Läuse in kleinen Röhrchen ausgesetzt. Die Babyläuse krabbeln schliesslich aus den Röhrchen und besiedeln das Kaktusblatt. Sie wachsen und verpuppen sich. Während die männlichen Läuse Flügel entwickeln und abhauen, bleiben die Weibchen auf dem Opuntienblatt. Ihr Körper ist ca. 3-4 mm gross und grauschwarz gefärbt. Zerdrückt man eine Laus, spritzt die blutrote Flüssigkeit heraus. Die Läuse werden samt dem Kokon mit Pinseln abgesammelt, gereinigt und in der Sonne getrocknet. Nach dem Mahlen erhält man schliesslich den bekannten, pulverförmigen roten Farbstoff. Dieser wird z.B. zum Färben von Wolle oder aber auch für einschlägige Modegetränke verwendet. Durch Zugabe anderer Stoffe lässt sich der Farbton variieren. So erhält man mit ein paar Tropfen Limettensaft einen Orangeton.
grana hatch schluepfer

cochinilla laus aus die laus

ernte wooly gesoeff

Ein weiterer Ausflug mit der Sprachschule führt uns auf den Wochenmarkt von Ocotlan de Morelos. Freitags ist hier Einkaufstag und die ganze Umgebung strömt herbei. Der Markt fungiert praktisch als Vollsortimenter. Es gibt Kleidung, Schuhe, Spielzeug, Werkzeug, Macheten, Kunsthandwerk, Haushaltswaren wie z.B. eine Tortillapresse, Spirituosen, Blumen und natürlich auch Früchte, Gemüse, Fleisch und Tiere, vom Grill oder auch lebendig. Während wir uns durch das Gedränge schieben, fällt mir auf, dass die meisten Menschen auf dem Markt fast 2 Köpfe kleiner sind als ich. Was aber nicht heisst, dass sie weniger tragen können. So sehe ich eine junge, zierliche Frau mit Baby im Tragetuch, eine Tüte mit Gemüse in der linken Hand, eine Tüte mit Obst in der rechten Hand und noch eine Tüte mit Gemüse auf dem Kopf. Wäre ja auch unpraktisch mit einem Einkaufswagen in dem Gedränge...
hang loose deal platanomacho

scharfe señora zarte täubchen pollo to go

schildies zapotekische wurmkur tortilla a la lassie

Ein weitere Mal falle ich darauf herein und bestelle eine Tostada. Wie zu erwarten verewigt sich die scharfe Salsa Sosse in meiner beigen Hose. Erst abends setzt der Lerneffekt ein und ich finde mich vor einer zusammengeklappten Tortilla wieder. Das Rippchen obendrauf enthält allerdings mehr Kohle als Hydrate - somit also eine Calzone Carbonata.
tostada no more pollo calzone carbonata

Zurück in Oaxaca gerate ich nach dem Genuss eines Kaktuseis (von der Kaktusfrucht Tuna) in eine Fiesta. Den Mexikanern kann es dabei nicht laut genug sein. Neben den obligatorischen Böllerschüssen spielen mehrere Blaskapellen gleichzeitig und durcheinander. Im Festzug sind auch viele Kinder fein herausgeputzt in traditioneller Tracht. Riesige Puppen tanzen inmitten der Massen. Nach dem Trubel kehrt wieder etwas Ruhe in die Strassen und ich nutze die Gelegenheit mein Volksbank Taschenmesser vom Spezialisten mal richtig schärfen zu lassen.
kaktus zum schlecken blowjob im sommer schatten, im winter wärme

chica muñeca bracket smile
Fiesta Click 4 Video (99 MB): "Fiesta"
scharfer Hund Click 4 Minivideo (16 MB): "Dat is scharf"

Zu den Highlights in der Umgebung von Oaxaca zählt sicherlich Monte Albán, die wichtigste der Zapotekenstätten. Die auf einem Plateau ca. 400 m oberhalb von Oaxaca gelegene Anlage diente vor ca. 1500 Jahren als kulturell-religiöses Zentrum der Zapoteken mit über 25.000 Bewohnern.

Der 7 km lange Anstieg auf den Bergrücken ist einfach zu verlockend, um mal die Waden glühen zu lassen. Kurz nach Sonnenaufgang mache ich mich mit einem geliehenen Mountainbike auf zur Frühstücksrampe zum Monte Albán hoch. Bevor meine Waden glühen, glüht allerdings erst mal meine Lunge, bewege ich mich doch auf deutlich über 1500 m Höhe. Oben angekommen fahre ich direkt durch das sperrangelweit offene Tor in die Anlage. So habe ich die sogenannte Plaza Grande ganz für mich alleine - bis mich der Hilfssheriff entdeckt. Naja, an die Radfahrer hatten die Zapos damals nicht gedacht, sonst hätten die nicht soviele Treppen gebaut. Ich gehe also zurück auf Los, ziehe ein Ticket und betrete zu Fuss die Anlage.

Monte Albán besteht aus über 20 Komplexen und Pyramiden sowie aus mehreren grossen Plätzen. Die meisten Gebäude dienten religiösen, rituellen oder wissenschaftlichen Zwecken. So gibt es Grabanlagen und Ballspielplätze, die in den Boden eingelassen sind. Das Ballspiel erfolgte mit einem mehrere Kilogramm schweren Gummiball. Die wie Michelinmännchen ringsum gepolsterten Spieler mussten den Ball in verschiedene Ringe spielen. Unklar ist, ob der Verlierer den Platz lebend verlassen durfte. Neben einem Observatorio für astronomische Beobachtungen findet sich auf der 150 m x 300 m grossen Plaza Grande auch eine 5 m hohe Stele. Diese diente dazu, den Sonnenstand exakt zu erfassen. Auf einer der Steintafeln mit den sogenannten Danzantes findet sich das Relief eines Tänzers mit einem Männchen mit Tirolerhut im Bauch.
morning mood plaza grande danzante con bici

nicht barrierefrei zapotekisches uhrwerk tirolerhut

Auf der Abfahrt von Monte Albán gönne ich mir noch eine Schleife durch die Umgebung. Nicht erste die Begegnung mit einem Kaktus macht mir klar, dass ich gerade durch die Klimazone 'Halbwüste' radele. In San Antonio Arrozola werden die bunten Holzfiguren, Alebrijes, geschnitzt. Die Idee für die Phantasiefiguren entstand im Suff. Das ursprüngliche Wesen ist eine Figur, die mit einem Mann Ähnlichkeit hat. Durch zunehmenden Genuss des Agabendestillates entfremdet sich die Figur zusehens, nimmt bunte Farben an, bekommt Hörner und eine lange Zunge und wird schliesslich zur Phantasiefigur. Mittlerweile werden jedoch vermehrt realistische Figuren produziert, wobei die Farbgebung weiterhin sehr phantasievoll ist.
desert is aua stachelschwein con bici

Oaxaca ist umgeben von einigen Gebirgsketten. In der Sierra Norte haben sich mehrere Gemeinden in einem Oekotourismusprojekt zusammengeschlossen. So gibt es in jedem Dorf ein Tourismusbüro, welches Touren mit einem lokalen Führer anbietet. Als ich nach der zweistündigen Busfahrt von Oaxaca am Abzweig nach Benito Juarez aussteige, geniesse ich die frische Bergluft und vor allem die Ruhe gegenüber der Stadt. Zusammen mit einem Dorfbewohner gehe ich die 4 km vom Abzweig bis zum Dorf. Er erzählt mir, dass sich die Bewohner aller Doerfer untereinander kennen. Einige arbeiten in Oaxaca. Wann immer sie sich begegnen, grüssen sie sich. Der Weg zum Dorf führt durch lichten Kiefernwald. Flechten hängen von den Zweigen. Am Wegesrand und im Wald wachsen teils übermannshohe, bis zu 25 Jahre alte Agaven (Magueyes). Ab und zu gibt der Wald die herrliche Aussicht auf das Tal frei. Das Dorf Benito Juarez strahlt eine besondere Friedlichkeit aus. Die Menschen sind freundlich. Es gibt keine Hektik und keinen Lärm. Die Häuser sind in sehr gutem Zustand. Die Strassen sind sauber. In den Vorgärten wachsen bunten Blumen.

Im Tourismusbüro bekomme ich einen Wanderführer zugewiesen, der mich die 9 km durch die Berge bis in das Dorf Cuajimoloyas begleitet. Der Weg geht auf und ab, teilweise auf über 3000 m Höhe. Die Landschaft ist toll. Wenn man mal von den Agaven absieht, sieht es hier aus wie im Vinschgau.
agave mancomunados fast vinschgau

aaron bloemekes cuajimoloyas

Etwa auf halbem Weg von Oaxaca in die Sierra Norte liegt der Ort Teotitlan, der durch seine Webarbeiten bekannt ist. Hier wird mit Naturfarben eingefärbte Schafwolle nach alter Manier auf knarrenden Holzwebstühlen zu Teppichen gewoben. Für einen Teppich von 80 cm x 150 cm mit mittelschwerem Muster braucht der Meister ca. eine Woche.
meester lets roll debbisch

Auch der Ort San Agustin Etla in einem anderen Tal in der Umgebung von Oaxaca hat mit der Weberei zu tun. Allerdings wurde hier in einer mit hydroelektrischer Energie versorgter Fabrik mit Maschinen gewebt. Nach einigen Jahren des Leerstandes wurde die Fabrik durch die Initiative von dem Maler Francisco Toledo in ein sehenswertes Kunstzentrum umgewandelt, das CASA, Centro de las Artes de San Agustín Etla. Im ehemaligen Fabrikgebäude befinden sich zwei riesige Ausstellungshallen und Werkstätten für Künstler. Das Wasser, welches früher zur Stromgewinnung für die Weberei genutzt wurde, dient nun der Gebäudeklimatisierung und vor allem auch als wesentliches, architektonisches Stilelement der Anlage. Ein Teil des Wassers über den Dachfirst und tropft seitlich auf das riesige Wellblechdach. Neben dem Plätschergeräusch gibt das den Ausstellungsräumen eine angenehme Kühle. Ein anderer Teil wird durch grosse Becken, sogenannte Wasserspiegel, geleitet und gibt der gesamten Anlage eine einmalige Atmosphäre. Alles ist sozusagen ständig im Fluss - panta rhei.
webfabrik casa arriba espejo de agua

Nach zwei Wochen in Oaxaca geht für mich auch der Spanischkurs zu Ende. Abschliessend gibt es noch eine Kochaktion, bei der kleine, dicke Tortillas (Memelas) mit Heuschrecken (Chalipunes), Chilies, Zwiebeln und Knofi sowie Guacamole gezaubert werden. Gut gesättigt verabschiede ich mich dann von meinen Lehrern Hugo, Sonia und Luz.
tortilla maestra ist braun und hüpft nicht mehr büffelherde


San Cristobal de las Casas

Das Morgenlicht fällt auf die noch leeren, kopfsteinpflasterbedeckten Gassen des ca. 2000 m hoch gelegenen Ortes San Cristobal de las Casas. Die Luft ist noch kühl. Auf dem Platz vor der Kathedrale verkaufen Idigena-Frauen aus den Dörfern Tamales (gefüllte Maismaza im Maisblatt im Dampf gegart). Vor den Kirchen verkaufen die Indigenas kunstvoll geflochtene, getrocknete Kaktusblätter. Schliesslich ist Palmsonntag. Während die vielen Souvenierverkäufer, hauptsächlich Indigenas, noch ihre Verkaufsstände aufbauen, sind die Kirchen zur Frühmesse bereits voll. Die Indigenas sind u.a. an Ihrer traditionellen Kleidung zu erkennen. Die Frauen tragen meist eine bunt bestickte Bluse und einen schwarzen Filzrock, der ehrlichgesagt aussieht wie ein steinzeitlicher Fellrock. Die Männer tragen den Filz als Poncho in schwarz oder auch in weiss. Trotz der kühlen Luft tragen alle Indigena Frauen dünne Schläppchen oder Sandalen an ihren ansonsten nackten Füssen. Ihre Gesichter haben breite Wangenknochen und relativ kräftige Kiefer. Ihre Haut ist häufig dunkler als die der Mestizen. Ich verstehe kein Wort als sich eine Verkäuferin mit ihrer Standnachbarin unterhält. Auf meine Frage, welche Sprache sie denn gerade gesprochen hat, antwortet sie: "Tzotzil."
morgenstimmung tamales flechtwerk

palmsonntag Tzotzilfrau Tzotzilmann

Neben den Tseltales sind die Tzotziles eine der grössten Indigena Gruppen im Gebiet um San Cristobal de las Casas und zählen sich selbst auch zu den Maya nachfahren. Ihre Sprache und ihr Erscheinungsbild geben dem Ort San Cristobal de las Casas (bei allem Tourismus) eine magische Exotik. Hier im südlichsten Teil Mexikos, in den Chiapas, sammeln sich nicht nur viele Ruinen aus der Mayazeit, sondern auch viele Ethnien mit Ihren eigenen Kulturen. Das Vordringen der "westlichen Zivilisation", angefangen mit der spanischen Conquista über den Strassenbau im Regenwaldgebiet bin hin zur Einführung von Genmais und die Landausbeutung gefährden latent die Existenz vieler Ethnien und deren einzigartiger Kulturen.

In den 90ern ergaben sich dadurch angeführt von Subkommandante Marcos blutige Proteste gegen die Regierung Mexikos und für die Indigenas und deren überlieferte Kultur und Lebensform in den Chiapas. Markenzeichen der sogenannten Zapatisten (EZLN, Ejército Zapatista de Liberación Nacional) war und ist entweder die schwarze Bankräubermütze oder das Banditentuch. In den Strassen San Cristobals haben das vermummte Portrait Marcos und die Banditentücher ähnlichen Kultstatus erreicht wie das Konterfei Che Guevarras.

Einige Gebiete in den Chiapas sind ein rechtlich (von der mexikanischen Regierung stillschweigen geduldeter) autonomer Raum. In den gemeinden gelten die sogenannten Bräuche und Gewohnheiten (Usos y Costumbres), welche tief in der Tradition verwurzelt sind. Das landesweite Recht bleibt dabei oft aussen vor. Das hat gute und schlechte Seiten. Einerseits bewahrt es einen Teil der Indigena Kultur. Andererseits verhindert es eine für uns grundlegende Gleichberechtigung von Frauen und Männern und duldet eine Willkürherrschaft der "Stammesfürsten".

Die sich daraus ergebenden Konflikte sind vorprogrammiert. Indigenas aus den Dörfern siedeln sich um San Cristobal an. Sie besetzen das Land am Stadtrand, holzen Bäume ab und bauen Häuser in der Auffassung, das traditionell ihnen das Land gehört. Der Stadt bleibt nichts anderes übrig, als dieses Land zu kaufen und den Indigenas zu überlassen. Das wird von einigen Indigenas leider auch ausgenutzt, indem sie ihren legalisierten Grund gewinnbringend verkaufen. In Einzelfällen provozieren Indigenas auch die städtische Polizei, damit diese ihnen in die umliegenden Dörfer folgt. Dort gelten jedoch die Rechte der Gemeinden, so dass die Polizisten schon aus reinem Selbstschutz die Provokateure ziehen lassen müssen.

Bei allem Konfliktpotential hat auch der Tourismus San Cristobal unweigerlich seinen Stempel aufgedrückt. Zwischen den flanierenden, überwiegend jungen Touristen wuseln die mit kunterbunten Textilien vollgepackten Indigenas herum und versuchen Ihre Ware loszuschlagen. Aus dem Wust der Textilien lugt nicht selten auch noch ein Baby heraus. Restaurants bieten Gerichte von argentinisch bis italienisch an. Neben den kunterbunten Textilien und Souveniers wird stilvoller Schmuck aus Bernstein und Jade angeboten. Gegen abend füllen sich die Strassen mehr und mehr. Auch einige Aussteiger, zumeist zummeliger Erscheinung, versuchen ihr Glück durch den Verkauf von Schmuck oder als Strassenkünstler. Hinterm Rathaus packen die Indigenas zum Nachtmarkt aus. So schön die Sachen auch sind und soviel Arbeit darin steckt, es passt nicht in meine Welt.
pizza streetmarket nachtmarkt

Im Theater schaue ich mir die sehenswerte Aufführung des Stückes Pakal an. Es handelt sich dabei um eine Episode aus der Maya Geschichte in Palenque, der Pacal Dynastie vor ca. 1500 Jahren. Die Regenwaldatmosphäre des projizierten Bühnenbildes wird durch Regenwaldgeräusche untermalt. Weihrauch schwängert die Luft im Theatersaal. In der Eröffnungszeremonie werden nach und nach die beeindruckend kostümierten Charaktere vorgestellt. Besonders opulent fällt der Kopfschmuck aus. Die moderne Bühnentechnik kommt insbesondere beim Ballspiel (Pelota) zur Geltung. Dabei wird der Spielball auf eine semitransparente Leinwand vor die Schauspieler projiziert. Die Aufführung findet komplett in Tzotzil statt. Für die nicht Tzotziles werden seitlich Untertitel in englischer und spanischer Sprache eingeblendet.
pakal1 pakal2 pakal3
Fiesta Click 4 Video (18 MB): "Pelota"

Auf einem Mountainbikeausflug besuche ich die beiden Tzotzildörfer Chamula und Zinacantán. Die Anstiege sind teilweise recht giftig. Einige Male schaffe ich es unseren Guide im Staub meines Hinterrades zu lassen. Auf der Kuppe angekommen, schnaufe ich jedoch wie eine Meeresschildkröte bei der Eiablage. Bin ich doch noch nicht ganz an die dünne Luft oberhalb 2000 m gewöhnt. In den Tzotzildörfern ist das Fotografieren i.d.R. höchst unerwünscht. Die Kirchen spielen eine spezielle Rolle im Leben der Tzotziles. Bei Leiden gleich welcher Art wird meist der Schamane konsultiert. Dieser gibt das durchzuführende Zeremoniell vor, z.B. das Anzünden von Kerzen bestimmter Länge und Farbe in der Kirche mit anschliessendem Gebet. Dazu ist es wichtig Coca Cola zu trinken, um durch Rülpsen die bösen Geister herauszulassen. Auf mein Fragen hin, erklärte mir unser Guide, dass ggf. auch Pepsi Cola oder auch andere Limonaden zulässig sind.

Im Innern der Kirche sitzen Indigenas murmelnd betend in kle kleinen Gruppen auf dem Boden. Vor Ihnen auch auf dem Boden brennen dünne Kerzen dutzendweise. Bänke gibt es nicht, einen Altar auch nicht. Stattdessen sind die Wände mit Vitrinen mit Heiligenfiguren vollgestellt. Weihrauch schwängert die Luft. Vor der Kirche 'untermalen' Böllerschüsse die besinnliche Atmosphäre.

Bei einem Besuch im einem Tzotzil-Haus kommen wir in den Genuss handgemachter frischer Tortillas. Für die Füllung stehen Krümelkäswelcher Art wird meist der Schamane konsultiert. Dieser gibt das durchzuführende Zeremoniell vor, z.B. das Anzünden von Kerzen bestimmter Länge und Farbe in der Kirche mit anschliessendem Gebet. Dazu ist es wichtig Coca Cola zu trinken, um durch Rülpsen die bösen Geister herauszulassen. Auf mein Fragen hin, erklärte mir unser Guide, dass ggf. auch Pepsi Cola oder auch andere Limonaden zulässig sind.

Im Innern der Kirche sitzen Indigenas murmelnd betend in kleinen Gruppen auf dem Boden. Vor Ihnen auch auf dem Boden brennen dünne Kerzen dutzendweise. Bänke gibt es nicht, einen Altar auch nicht. Stattdessen sind die Wände mit Vitrinen mit Heiligenfiguren vollgestellt. Weihrauch schwängert die Luft. Vor der Kirche 'untermalen' Böllerschüsse die besinnliche Atmosphäre.

Bei einem Besuch im einem Tzotzil-Haus kommen wir in den Genuss handgemachter frischer Tortillas. Für die Füllung stehen Krümelk&aubr clear="all">


Palenque

Vom über 2000 m hoch gelegenen San Cristobal de las Casas geht es über eine extrem kurvige Strecke ins Tiefland nach Palenque. An jeder Milchkanne sind Drempel (Topes) auf der Strasse, die nur im Schritttempo überfahren werden können. Angesichts der Osterwoche ist halb Mexiko unterwegs. Jeder Zwischenstopp wird zu einer Massenveranstaltung. Auf den Parkplätzen von Agua Azul (Kaskaden) und Misol-Ha (Wasserfall) kommt ein Bus nach dem anderen an. Seinen bunten, lärmenden Inhalt entleert er in das Meer der Souvenir- und Fressstände.
topes crowd watching strülleken

Trotz der Massen bleibt in Palenque genug Ruhe und Zeit die ehemalige Mayastadt zu geniessen. Spannend über die 1200 Jahre alten Bauten zu klettern. Die letzte grosse Entdeckung war das Grab der roten Königin in den 90ern in der mittleren der drei Pyramiden. Nur ein Bruchteil der Anlage ist freigelegt. Einige Gebäude lassen sich in einem völlig überwucherten Hügel nur erahnen, wenn man die Steine zwischen den Wurzeln durchlugen sieht.
palenque schild templo de las inscripciones acropolis

watch out relief kopfputz


Yaxchilan

Direkt am Grenzfluss zu Guatemala, dem Rio Usumacinta, liegt eine weitere Maya Hochburg, Yaxchilan. Während Palenque schon fast Parkcharakter hat, fühlt man sich in Yaxchilan mitten im Urwald. Zur Hauptakropolis führt eine schweisstreibend steile Treppe hinauf. In den Türstürzen einiger der Gebäude sind Reliefs zu erkennen, die typische Szenen aus dem Leben der Mayakönige darstellen. Dazu gehörte bei bestimmten Anlässen, wie z.B. Geburt des Thronfolgers, Krönung (Fussball-WM gab es ja noch nicht), usw. das Blutopfer. Während sich die Königin Dornenschnüre durch die Zunge zog, perforierte sich der Mayakönig mit einem spitzen Stab seinen Henrystutzen. Das Blut wurde in Gefässen aufgefangen, in denen es vom Baurinde wie ein Schwamm aufgesogen wurde. Beim Verbrennen der Rindenstücke stieg so das Blut der Herrscher zum Himmel auf.
labirinth gran plaza acropolis

akropolis relief auaaaa!


Bonampak

Was in Yaxchilan die Reliefs, sind in Bonampak, einem Nebenzentrum der Maya, die Wandfresken. Nach über 1200 Jahren sind noch Farben und Formen zu erkennen. Ein Fresko zeigt die Unterwerfung von Gefangenen. So wurden den Gefangenen die Fingernägel herausgerissen, damit sie sich nicht mehr wehren können.
bonampak fresko nägelzieher


Flores, Guatemala

Die Weiterreise nach Flores in Guatemala ist ein anstrengender Ritt. Über 5 h dauert die Fahrt im klapprigen Bus über bucklige Staubpiste, vorbei an riesigen Flächen gerodeten und in Weideland umgewandelten Regenwaldgebietes. Vieles in Guatemala wirkt ärmlicher, klappriger als in Mexiko.
road burn viecher

Flores ist eine Insel in einem See. Über einen Damm ist die kleine Insel einfach zu erreichen. Wenn nicht an jeder Ecke laute Musik dröhnen würde, könnte man sich hier echt entspannen. Ich gerate mitten in die Karfreitagsprozession. Über 20 Maenner schleppen die Hauptplattform mit der Jesusfigur. Um die Beleuchtung aufrecht zu erhalten wird an einem langen Kabel ein knatternder Generator hinter dem Prozessionszug hinterher geschoben.
malecon plataforma power processioner

Flores ist Ausgangspunkt für den Besuch der grössten aller bekannten Maya Pyramiden - Tikal. Über 1000 Jahre lang war das ca. 60 qkm grosse Stadtgebiet bis zu seiner Aufgabe vor ca. 1000 Jahren besiedelt. Zu Spitzenzeiten um 700 n.Chr. gab es über 3000 Gebäude. Vermutlich 70.000 Menschen lebten in der Stadt. Der grösste Teil ist heute von dichtem Urwald überwuchert. Spinnenaffen hangeln sich durch die Äste. Tukane und Papageien fliegen krächzend über die Lichtungen. Das Zikadenkonzert wird vom stöhnenden Ruf der Brüllaffen begleitet. Die Luft ist feuchtheiss. Bei der kleinsten Bewegung fliesst der Schweiss.

In dieser Atmosphäre wurde Tikal im 19. Jahrhundert entdeckt und im 20. Jahrhundert teilweise freigelegt und rekonstruiert. Markenzeichen Tikals ist der steil aufragende Tempel des grossen Jaguars. Wenn man sich zwischen ihn und den gegenüberliegenden Tempel stellt und in die Hände klatscht, hört man ein seltsames Echo. Statt des Klatschgeräusches ertönt ein Quaken wie von einer Ente. Zusammengenommen ähnelt das Geräusch dem Ruf des Quetzals, dem verehrten Göttervogel. Der höchste Tempel Tikals und aller bisher bekannten Mayatempel ist der Tempel IV mit 74 m Höhe. Von ihm aus hat man einen fantastischen Blick über den Urwald, aus dem einige der anderen Pyramiden bizarr herausragen.
grosser und kleiner jaguar gran plaza froschperspektive

huegel gegenlicht panorama


Bacalar

Nach einem weiteren, anstrengenden 9 h Busritt durch Belize bin ich wieder in Mexiko, wo ich an der Lagune von Bacalar einen Tag ausspanne. Bevor es weiter Richtung Mexiko Stadt, DF für distrito federal genannt, ziehe, gönne ich mir noch das Museum de la Cultura Maya in Chetumal. Im sehr gut gestalteten Museum findet man u.a. einen Modellplan der Stadt Tikal und eine Rekonstruktion der Fresken von Bonampak.
bacalar Tikal Bonampak


Mexiko Stadt

Die Luft ist frischer in DF als an der Küste, was aber nicht sauberer heisst. DF sagt der Mexi zu seiner Hauptstadt und heisst ausgeschrieben 'distrito federal'. Der goldene Engel auf dem Paseo de la Reforma, einer der Hauptachsen durch die 20 Millionen Stadt, erinnert an die Unabhängigkeit Mexikos von den Spanien. Im Regierungspalast schaue ich mir die riesigen Wandgemählde Diego Riveras an. Vergleichbar mit einem Wimmelbild werden auf der gesamten zur Verfügung stehenden Fläche Szenen aus der Geschichte Mexikos dargestellt. Dabei tauchen viele bekannte historische Personen auf, u.a. auch Riveras Frau, Frida Kahlo.
angel in dust palacio mc kult
wandbild wandbild wandbild

Nördlich des Zocalo, auf der Plaza Santo Domingo, hat die (historische) Druckbranche ihr Zuhause. Hier werden zum Grossteil in Handarbeit Visitenkarten, Glückwunsch- und sonstige Einladungskarten gedruckt, geschnitten, gefalzt und zusammen getragen. Schreibe an elektrischen Schreibmaschinen tippen Briefe für diktierende Klienten.
druckindustrie druckindustrie druckindustrie
Schreiberling Click 4 Video (45 MB): "Schreiberling"

In meinem Mayawahn darf ich das Anthropologische Museum nicht auslassen. Neben der Jade-Grabmaske Pakals, dem Herrscher von Palenque, sind unzählige weitere Exponate aus den vielen Indigena Kulturen Mexikos zu sehen. Dazu gehört auch einen Nachbildung der Quetzalcoatl Pyramide von Teotihuacan nahe Mexiko Stadt sowie ein Schema der Zapotekenstätte Monte Albán bei Oaxaca.
face of death Quetzalcoatl Monte Albern




 

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