Vietnam |
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Schon von weitem leuchtet der gelbe Stern auf rotem Grund. Erste Eindrücke von Vietnam: bessere Strassen als in Kambodscha, exotischere Speisen (pig feet, roasted rabbit, snake sweet and sour, roasted goat penis with chinese herbs), extrem viele Leichtmotorräder. Die Gesichter der Vietnamesen sind sehr unterschiedlich, anders als die Khmer mit den breiten Nasen, die Laoten mit den hohen Wangen und anders als die Thai mit den runden Gesichtern, einfach zu unterschiedlich, um sie in wenigen Worten zu charakterisieren.
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Vielleicht ist es das allgegenwärtige Gesicht von Ho Chi Minh, das die Merkmale vieler vietnamesischer Gesichter in sich vereint. Das Konterfei des grossen Befreiers vom Kolonialismus ziert hier jeden Geldschein. Besonders in Ho Chi Minh Stadt, dem ehemaligen Saigon, verfolgt einen der hagere Kommunist mit dem Spitzbart auf Schritt und Tritt. Mitten in der Stadt besteht der Verkehr nicht mehr aus einzelnen Fahrzeugen sondern bildet ein fliessendes Kontinuum, dessen physikalische Gesetze einfach unvereinbar mit westlichen Verkehrsregeln sind. Das nahegelegene, riesige Mekongdelta mit den vielen Brücken und schwimmenden Märkten ist eine der fruchtbarsten Gegenden im ganzen Land. Bis zu viermal im Jahr wird hier Reis geerntet. Ausserdem gibt es in der Umgebung von Ho Chi Minh City Gummibaumplantagen und viele kleine Handwerksbetriebe, die Reispapier, Reisnudeln, Räucherstäbchen oder Kokosmilchpralinen herstellen.
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30 Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs sind die Beziehungen zwischen Vietnam und den USA entspannt. Einige Museen halten jedoch die Erinnerung an die schreckliche Zeit aufrecht. Ich brauche selber einige Tage, um zu verstehen, wer gegen wen gekämpft hat und wie sich die Amerikaner immer tiefer in den Krieg verwickelten. Aus der Regierungsunterstützung des Süden Vietnams als Konterpart zum kommunistischen Norden entwickelt sich schliesslich ein Krieg der Amerikaner gegen den Kommunismus in Vietnam und ein Krieg Vietnams für die eigene Freiheit von jeglicher Besatzungsmacht. Im Verlauf des Krieges hatten die USA schliesslich nicht mehr "nur" den Norden sondern auch einen Grossteil des Süden Vietnams gegen sich. Ohne selbst auf eigenem Boden angegriffen worden zu sein, hinterliessen die amerikanischen Streitkräfte grausame Spuren der Zerstörung. Doch selbst Napalm und das hochgiftige Entlaubungsmittel "Agent Orange", das noch Jahre später zu Missbildungen bei Neugeborenen führte, konnten die Guerillas nicht in die Knie zwingen. Das Tunnelsystem von Cu Chi, welches direkt unter der amerikanischen Basisstation verlief, zeigt einmal mehr, wie die Vietnamesen es trotz technologischer Unterlegenheit exzellent verstanden die eigenen Fähigkeiten bestmöglich zu nutzen. Die Tunneleingänge wurden gerade mal so gross gemacht, dass die zierlichen Vietnamesen aber nicht die beleibteren Amerikaner hindurch passten. Fallen wurden in den Tunneln errichtet, die je nach Tageszeit mal im linken und mal im rechten Gang installiert wurden. Amerikanische Blindgänger wurden aufgesägt und zu neuen Waffen weiter verarbeitet. Fallgruben mit angespitzten Bambusstielen wurden ausgehoben. Amerikanische Spürhunde wurden in den Tunneln mit Zigarettenrauch und amerikanischer Rasierseife in die Irre geführt.
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Ein Teil des untertunnelten Geländes ist heute als Museum zugänglich. Touris kriechen auf allen Vieren durch die mittlerweile vergrösserten Tunnel. Wer gerne Rambo spielen möchte, kann sich auf einem Schiessstand für 1 EUR/Schuss scharfe Munition kaufen und mit einer Kalaschnikow (AK47) oder einem M16 schiessen. Die Sicherheitsvorkehrungen erinnern eher an eine Schiessbude auf dem Rummel und würden so manchem Feldwebel in der Bundeswehr die Haare zu Berge stehen lassen.
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Das trockene Wetter Saigons ändert sich rasch als ich mich nach Norden begebe. Der Nordostmonsun bringt Dauerregen. Die Felder stehen unter Wasser. Der Bus watet durch kniehohes Wasser auf der Strasse.
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Seit ich Saigon verlassen habe, regnet es ohne Pause. In HoiAn treffe ich schliesslich mit meinem guten, alten Freund Claus zusammen. Im strömenden Regen stiefeln wir ins nächste Eckrestaurant um uns den Begrüssungs-Banana-Chocolate-Pancake zu gönnen. HoiAn ist in Tourikreisen vor allem durch seine vielen Schneidereien bekannt. Für weniger als 60 $ kann man sich hier einen dreiteiligen Kaschmiranzug inklusive Seidenhemd schneidern lassen. Doch bei dem fiesen Regenwetter schauen auch die Schneiderbetriebe in die Röhre, weil keine Touris kommen.
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Nördlich der ehemaligen demilitarisierten Zone (DMZ) liegt die wichtige Hafenstadt Hue. Das Wetter dort ist nicht gerade umwerfend. Immerhin gibt es einige regenfreie Stunden, so dass ich in die verbotene Stadt vordringen kann. Selbige wurde damals vom König und seinen Konkubinen bewohnt. Ausser den Eunuchen durfte sonst niemand die von einer Zitadelle umgebene Stadt betreten. Die Kriege des letzten Jahrhunderts hinterliessen deutliche Spuren in der Stadt. Während einige Gebäude restauriert werden, sind viele Mauern noch von Einschusslöchern übersäht.
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Völlig gerädert von der durchfahrenen Nacht im Bus kommen Claus und ich in Hanoi an. Hier ist es zwar nicht gerade warm, aber nach tagelangem Dauerregen begrüssen uns erstmalig wieder Sonnenstrahlen. Im Temple of Literature, einem nett angelegten Park mit einigen Holztempeln, wurden den Direktoren der Universitäten Gedenktafeln auf steinernen Schildkröten errichtet. Direkt neben dem Königspalast befindet sich das imposante Ho Chi Minh Mausoleum. Im Innern des marmornen Komplexes liegt der Leichnam des in ganz Vietnam verehrten Volkshelden. Die Reisbauern in ihren überfluteten Feldern sitzend erfanden damals das Wasserpuppentheater. Heute lockt die sehenswerte Show mit feuer- und wasserspeienden Drachen etliche Touris an.
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Eines der Highlights in Vietnam ist die berühmte Halong Bucht. Wie riesige Dracheneier ragen hier Kalksteinfelsen aus dem Meer und formen eine märchenhafte Szenerie. Mit einem der vielen Holzboote fahren wir zur sogenannten Überraschungshöhle. Die Überraschung ist, dass es eben keine selbige gibt. Dafür ist die Stimmung auf dem Schiff sehr gut. Zusammen mit 4 Amerikanern, einer Niederländerin, 3 oesterreichischen Surfern und einer Franzoesin geben wir uns einem ausgelassenen Spieleabend mit viel Reisschnaps hin. Horserace, King's Cup und Mäxchen heissen die neckischen Spiele. Nach einem Gute-Nacht-Kuss von Charles Bronson, einem der genervten Crewmitglieder, gehen auch Clausi und ich in die Kojen.
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Zurück am Festland leihen wir uns zwei Minsk Motorräder aus und besuchen das Ho Chi Minh Trail Museum ausserhalb von Hanoi. Hier sind etliche Fundstücke ausgestellt, die während des Vietnamkriegs benutzt wurden, um die Versorgung des amerikanisch besetzten Südens aufrecht zu erhalten.
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Von Hanoi aus fahren wir eine endlose Nacht im Hardsleeper Zug (Name ist Programm) am Red River entlang bis an die chinesische Grenze. Mit dem Bus geht es anschliessend durch etliche Serpentinen hinauf nach Sapa. Wir sind beeindruckt von der Aussicht über die malerischen Reisterrassen. Die Minsk, der russische 125 ccm Zweitaktlastesel, leistet in den Bergen um Sapa noch treue Dienste. Bei einer kleinen Wanderung treffen wir auf Angehoerige der Hmong, die noch traditionelle Tracht tragen und gerne ihre Stickereien an wehrlose Touris losschlagen. Bei der etwas empfindlichen Kälte von um die 5 Grad kann ich jedoch kaum nachvollziehen, warum die Hmong alle in ockerfarbenen Plastiksandalen und ohne Socken umherlaufen.
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